SPD informierte sich über Kongresszentren

„Wie kann ein Kongresszentrum erfolgreich realisiert werden?“ Im Konstanzer Rathaus sucht man seit dem Bürgerentscheid vor knapp drei Jahren vergeblich nach einer Antwort auf die Frage. Ein Blick über die Stadtgrenzen hinaus könnte helfen, meinte die SPD-Fraktion und holte sich auf einer Exkursion nach Reutlingen und Esslingen neue Anregungen. Zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Städten und der Situation in Konstanz luden im Vorfeld geradezu zu einem Vergleich ein. Reutlingen und Esslingen sind mit 110.000 und 93000 Einwohnern zwar größer als Konstanz, bieten als Mittelstädte dennoch ein vergleichbares Angebot für ihre Einwohner und das jeweilige Umland. Die Stadt Reutlingen unterhält mit der Württembergischen Philharmonie ebenfalls über ein Orchester, das bis heute keinen angemessenen Konzertsaal nutzen kann.

Ein konkretes Objekt konnte die Konstanzer SPD-Delegation in Esslingen in Augenschein nehmen. Vor zehn Monaten nahm das Neckar-Forum, eine multifunktionale Stadthalle mit angeschlossener Tiefgarage und Hotel seinen Betrieb auf. Der Esslinger Finanz-Bürgermeister Betram Schiebel erläuterte die Planung und Finanzierung des Hauses.

Die Stadt Esslingen hat bei der Realisierung des Neckarforums mit einem privaten Investor zusammengearbeitet, der insgesamt 41 Millionen Euro in Hotel, Halle und Garage investiert hatte. Insgesamt 30 Jahre läuft der Pachtvertrag, den Esslingen für das Neckarforum abgeschlossen hat. Anschließend fällt das Objekt ohne weitere Kosten an die Stadt Esslingen zurück.

Die Stadt Esslingen übernahm für den Investor eine Bürgschaft über die volle Investitionssumme. Dadurch konnte das Projekt mit den niedrigen Zinssätzen für Kommunaldarlehen finanziert werden, berichtete Schiebel.

Das Forum selbst bietet einen erweiterbaren Saal mit 1000 bis 1200 Plätzen sowie gemeinsam mit dem angeschlossenen Hotel sieben Konferenz- und weitere Nebenräume. Schiebel warnte die Konstanzer vor einem zu großen Saal. Dieser sei zwar gut für das Image eines Hauses, schade jedoch dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis. Geld verdiene ein Kongresszentrum mit Veranstaltungen bis zu 300 Teilnehmern.

Das Esslinger Neckarforum wird von einer Tochter der Stadt, der Esslingen live GmbH betrieben. Im ersten Jahr entstand ein Verlust von ca. 1,3 Millionen Euro, den die Stadt finanzieren muss. „Keine Stadthalle und kein Kongresszentrum in Deutschland kommt ohne Zuschüsse aus“, sagte Schiebel.

In Reutlingen dagegen gab es noch keine Halle zu besichtigen. Der Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele und der stellvertretende Vorsitzende der Reutlinger SPD-Fraktion Helmut Treutlein berichteten jedoch von einem „vorbildlichen“, demokratischen Planungsprozess.

Nachdem die Reutlinger Bürger vor drei Jahren den Bau eines 140 Millionen Euro schweren Kongresszentrums in einem Bürgerentscheid abgelehnt hatten, was zur Abwahl des damaligen Oberbürgermeisters führte, musste die Verwaltung umdenken. Anstelle eines „abgekuckten Großprojekts“ wurde mit Hilfe einer umfassenden Kulturkonzeption ein auf Reutlingen abgestimmtes Konzept erarbeitet, das zwei Leitfragen beantwortete: „Was gibt es hier? Und was brauchen wir?“. Das letzte Wort hatten wieder die Reutlinger Bürger. Sie sprachen sich mit großer Mehrheit nicht nur für den Neubau einer Stadthalle sondern auch für die Investitionen in andere Kulturangebote aus. Reutlingen will ebenfalls etwa 40 Millionen Euro für alle Projekte ausgeben.

Was kann Konstanz aus diesen Beispielen lernen? Jürgen Leipold, Vorsitzender der SPD-Fraktion: „Wer ein Kongresszentrum haben will, muss es selbst bezahlen.“ Private Partner könnten allenfalls bei der Umsetzung helfen, die Finanzierung von Betrieb und Investition könne niemand der Stadt abnehmen. Seriös gerechnet seien dafür zwei bis drei Millionen Euro im Jahr erforderlich. Noch wichtiger als Geld sei jedoch die Unterstützung der Bürger für das Projekt. Deren Zustimmung gewinne man „nicht durch Größenwahn“. „Wer eine auf Konstanzer Bedürfnisse abgestimmte Planung vorlegt, kann auch überzeugen“, sagt Jürgen Leipold.