Gegen das Vergessen!
Weitere Stolpersteine in Konstanz verlegt
Sie waren Juden, Menschen mit Behinderung, Sozialdemokraten oder Kommunisten: Millionen Menschen fielen dem brutalen Terror der Nazis zum Opfer. Manche wurden heimlich in den frühen Morgenstunden, andere am hellen Tag abgeholt und in Lager, Zuchthäuser oder direkt in den sicheren Tod geschickt. An die Nazi-Opfer erinnert die Aktion Stolpersteine des Künstlers Günter Demnig. Denn sie waren keineswegs anonym, sondern sie waren Arbeitskollegen, Nachbarn, Freunde. Ein Stolperstein vor ihrem letzten Wohnsitz soll ihr Schicksal vor dem Vergessen bewahren.
Bereits zum zweiten Mal kam Demnig nach Konstanz um die Stolpersteine, kleine Steine, die mit einer gerade einmal zehn mal zehn Zentimeter großen Messingplatte versehen sind, in den Boden einzulassen. Zehn neue Stolpersteine erinnern an Konstanzer Bürgerinnen und Bürger, die von den Nazis abgeholt, gefoltert und ermordet wurden. Vor einem Jahr hatte Demnig die ersten drei Stolpersteine in Konstanzer Gehwege verlegt.
Einer der zehn neuen Steine erinnert an die Sozialdemokratin Pauline Gutjahr, die in der Brauneggerstraße wohnte. Bereits vor dem ersten Weltkrieg war sie aktive Sozialdemokratin und gehörte als Kassiererin dem Vorstand der Partei an. Ein öffentliches Amt bekleidete sie jedoch nie, auch wenn sie 1921 für den badischen Landtag kandidierte. Gutjahr war in der Schweiz geboren und hatte dort zahlreiche Kontakte, die sie während der Nazizeit nutzte. Sie half, zahlreiche Bedrohte und Verfolgte über die Grenze in Sicherheit zu bringen.
Gleichzeitig schmuggelte sie sozialdemokratisches Propagandamaterial aus der Schweiz nach Deutschland und verteilte es dort weiter. Sie muss eine Schlüsselrolle gespielt haben, denn ihr Name tauchte in mehreren Prozessen vor dem Berliner Volksgerichtshof auf.
Am 10. Mai 1938 wurde Pauline Gutjahr verhaftet, ein Jahr später wurde sie zu vier Jahren Zuchthaus wegen der “Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens” verurteilt. Ihre Haft verbüßte sie in Ludwigsburg. Anschließend wurde sie ins Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Erst im April 1945 befreiten sie die sowjetischen Truppen. Offensichtlich erholte sie sich nicht mehr von den Folgen der Lagerhaft, denn sie kandidierte nach dem Krieg kein einziges Mal für die SPD, der sie bis zu ihrem Tod am 4. März 1957 angehörte. Paten des Stolpersteins für Pauline Gutjahr sind Brigitte und Jürgen Leipold. Über ihre Biographie berichtete Dr. Uwe Brügmann.
Weitere Steine erinnern an den jüdischen Rechtsanwalt Moritz Bloch, der in der Döbelestraße 4 wohnte, und seine Familie. Altstadtrat Dr. Albert Jung (SPD) berichtete über die Erlebnisse seines Vaters, der als Hausarzt die Familie Bloch behandelte und so die Misshandlungen und Foltern der Nazi-Schergen unmittelbar erleben musste.
Aus der Konstanzer Initiative Stolpersteine ist eine breite Bürgerinitative geworden, in der mittlerweile 30 Menschen mitarbeiten. Sie recherchieren in Archiven nach den Schicksalen weiterer Opfer und suchen Paten für weitere Stolpersteine. Unterstützung erhält die Initiative auch durch die Stadt Konstanz.