Investitionsfähigkeit der Stadt sichern: Haushaltsrede 2017
SPD-Haushaltsrede 2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!
Zunächst herzlichen Dank an die Verwaltung für die Mühen und Anstrengungen im Vorfeld und während der Haushaltsberatungen und es war ja nun auch nicht einfach, so kurzfristig mit einer derart hohen Steuerrückzahlung umzugehen.
Dennoch: nachdem unser Antrag auf Vertagung der Verabschiedung des Doppelhaushaltes und des Einschubs einer nochmaligen Beratungsrunde keine Mehrheit fand, ist unser Votum klar: wir werden den Haushaltsplan in der vorliegenden Form ablehnen.
Keine Vorsorge gegenüber Risiken
Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir damit auch jede darin enthaltene Einzelposition ablehnen. Schließlich haben wir unsere Vorstellungen auch intensiv in die Beratungen in den Fachausschüssen eingebracht und dabei auch einige Erfolge erzielt (Einsparungen bei Private Security, mehr Einnahmen durch die schon zuvor beantragte Erhöhung der Zweitwohnungssteuer). Doch nicht zuletzt mit dem jüngsten Vorschlag, die gut 8 Millionen Gewerbesteuerrückzahlung finanztechnisch in den vorberatenen Haushaltsentwurf ohne weitere Änderung einzurechnen, sehen wir darin keine solide Grundlage mehr, die Risiken der kommenden Jahre abzusichern und zugleich unsere Investitionsfähigkeit zu erhalten und sei es nur, um damit unsere zum Teil schon heute marode Substanz in der Infrastruktur zu erhalten.
Probleme vertagt
Dabei kommt die Situation keineswegs aus heiterem Himmel. Schon 2014 haben sich die Probleme längst abgezeichnet, es wurde bewusst kein Doppelhaushalt verabschiedet, um 2015 grundsätzlich zu diskutieren und eine strategische Linie festzulegen. Dies ist, wie wir wissen, nach einer gewissen finanziellen Entspannung nicht geschehen; statt dessen wurde in einer Eintagesveranstaltung gewissermaßen ein Nachtragshaushalt 2016 durchgepeitscht und die Grundsatzdiskussion damit vertagt. Von uns kam Zustimmung nur mit sehr starken Vorbehalten. Aber nun ist wieder ein Jahr verstrichen und wieder ist in dieser Hinsicht nichts geschehen, keine Klausur, keine strategische Beratung, keine Prioritätensetzung wie in unserer letzten Haushaltsrede dringend angemahnt.
Keine Verständigung auf finanzpolitische Ziele
Dabei war der Entwurf der Verwaltung mit dem ausführlichen Vorbericht durchaus gut aufbereitet und auch für diejenigen von uns, für die das Finanzgeschäft nicht das täglich Brot ist, gut verständlich dargestellt – vielen Dank an dieser Stelle dafür. Auch die Risiken wurden dort benannt, es fehlte nur der Korridor, in dem wir uns da finanziell bewegen, es wurde mangels konkreter Zahlen immer nur der untere Wert auf der damals bekannten Basis angesetzt. Und es fehlten auch Vorschläge, an welchen grundsätzlichen Zielen sich die Beratungen orientieren hätten können oder sollen; z.B. eine Steigerung der Ertragskraft des Ergebnishaushalts oder keine Neuverschuldung einzugehen. Folglich wurden solche grundsätzlichen Ziele auch nicht diskutiert und die Beratungen erschöpften sich in Einzelpositionen mit mal 10.000 € hier, mal 100.000 € da und dann wieder mal nur 5000 € mehr oder weniger und entsprechenden Nachfragen dazu. Grundsätzliches blieb außen vor.
Zahlreiche neue Stellen
Sehr unglücklich war dabei auch, dass ausgerechnet der Stellenplanentwurf erst sehr spät und nach mehrmaligem Nachfragen nachgereicht wurde, wo doch gerade hier Stellschrauben für laufende Ausgaben im Ergebnishaushalt liegen. Die Zuordnung mancher Stellen zu A- oder B-Listen hat dann auch noch eher verwundert. Da landet eine praktisch über Fördermittel finanzierte und sogar rentierliche Stelle, wie die eines Klimaschutzmanagers, in der B-Liste und muss erst kurzfristig durch den Gemeinderat wieder heraus geholt werden, während andere Stellen für weit umstrittenere Projekte wie das Amtsblatt in der A-Liste standen. Auch all dies hätte wohl besser vorab diskutiert werden sollen.
Auf das Prinzip Hoffnung darf man nicht bauen
So haben wir nun viele Stunden im Klein-Klein diskutiert und zunehmend vor dem Hintergrund verbesserter Einnahmen in 2016, die dann als Rücklage für die noch nicht bezifferten Risiken in 2017 dienen sollten. Dabei wäre eine vorausschauende Politik eher gewesen, die Überschüsse aus der „glücklichen“ guten Zeit für Investitionen zurückzulegen, wenn mit weiterem „GLÜCK“ nicht mehr zu rechnen ist. Denn auch das „Prinzip Hoffnung“, mit dem wir uns in der Vergangenheit oft die Risiken klein geredet haben, hat irgendwann ein Ende.
Rücklage aufgebraucht
Und nun … rums … seit einer Woche ist es auch mit der Risikorücklage vorbei. Statt Klein-Klein werden nun flugs 8 Mio. so verrechnet, dass man eine Verabschiedung des Haushaltsplans wie vorberaten empfiehlt, wohl wissend, dass damit ein Nachtrag schon für das Jahr 2017 fällig werden wird. Da können wir nicht mitgehen, das beraubt uns unserer politischen Handlungsfähigkeit. Es bleibt dann nur, doch Kredite aufzunehmen oder noch nicht begonnene Investitionen weiter zu verschieben, also genau das, wovor nun bei einer Verschiebung der Beschlussfassung gewarnt wird. Eher ein Haushalt des „Weiterwurstelns“ also als einer der soliden auch mittelfristig zukunftsfähigen Planung.
Gerade hier sehen wir die Probleme auf drei auch infrastrukturell wichtigen Politikfeldern: Wohnen, Verkehr und Bildung-Schulen.
Fehlende Positionen: Entwicklung Hafner
Beim Wohnen liegen wir mittlerweile bei den Mieten unter den Top 30 in Deutschland; in Konstanz heißt das, die Miethöhe ist ein veritables Armutsrisiko geworden. Doch auch beim Wohnungseigentum sind wir inzwischen sogar die teuerste Mittelstadt. Eine Fortschreibung des Handlungsprogramms Wohnen auf Basis der neuen Zahlen ist längst überfällig. Einiges ist in Planung aber noch nicht auf dem Weg, z.B. am Hafner. Auch der Wettbewerb Zukunftsstadt soll zum Erfolg führen. Dafür sind Vorleistungen nötig, doch noch ist kein Geld eingestellt.
Verkehrspolitik: Vage Hoffnung auf Fördermittel reicht nicht
Beim Verkehr ist vieles wie z.B. die meisten Maßnahmen des C-Konzepts aber auch der Zähringer Platz im vorliegenden Plan auf 2022ff geschoben worden. Zwar soll versucht werden, über Förderprogramme vor allem am Altstadtring einiges vorzuziehen, doch dies erfordert dann jeweils eine Kofinanzierung und dafür muss erst mal unsere Investitionsfähigkeit gesichert sein. Ansonsten regiert auch hier weiter das Prinzip Hoffnung … Von dabei erwünschter Bürgerbeteiligung, wie sie nun aus heutiger Sicht beim Thema Marktstätten-sanierung viel zu früh angesetzt wurde, wollen wir hier gar nicht mehr reden, doch auch die kostet Geld.
Investitionsbedarf an Schulen bleibt hoch
Und schließlich haben wir bei den Schulen trotz unbestritten hoher Investitionen in der Vergangenheit noch weiter einen hohen Bedarf. Dieser ergibt sich aus den anstehenden Entscheidungen zur Schulentwicklung, die Investitionen auch in städtebaulicher Hinsicht wie beim Berufsschulzentrum Pestalozzistraße nach sich ziehen. Aber natürlich wollen auch die eigentlich schon lange notwendigen Sanierungsmaßnahmen an der Geschwister-Scholl-Schule in der prognostizier-ten Höhe von etwa 20 Mio. € ab 2019 finanziert oder zumindest kofinanziert sein.
Ausgabenentwicklung kritisch beachten
Kurz, für diese drei wichtigen Bereiche ist bislang viel zu wenig Geld vorgesehen. Dieses muss erst erwirtschaftet werden, um unsere Investitionsfähigkeit und damit auch unsere politische Handlungsfähigkeit zu sichern. Die Hoffnung auf mehr Einnahmen reicht dabei nicht aus. Von der grün-schwarzen Landesregierung ist sogar eher weniger als mehr zu erwarten. Wir müssen also auch die Ausgabenseite ständig kritisch im Blick haben. Wir haben schon längst keinen Haushalt der Möglichkeiten mehr, wie es noch letztes Jahr hieß, vielmehr könnte bald der Sachzwang regieren, wenn wir nicht gegensteuern. Von politischen Gestaltungsmöglichkeiten kann dann keine Rede mehr sein und entsprechende Beratungen können wir uns dann auch sparen.
Warum wir ablehnen
Wir müssen heute die Grundlagen dafür legen, dass ein solches Szenario nicht eintritt. Mit dem jetzt zur Abstimmung stehenden Doppelhaushalt sehen wir das nicht gegeben und können ihm deshalb nicht zustimmen.