SPD-Stadtrat Dr. Jürgen Ruff begründete im Gemeinderat, warumm die SPD gegen ein größeres Parkhaus am Lago und gegen eine Alibi-Begegnungszone vor dem Bahnhof gestimmt hat. Wir dokumentieren seine Rede in voller Länge.

Lassen Sie mich mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen beginnen. Es geht keineswegs darum, wie mancherorts unterstellt, hier Blockadepolitik zu betreiben. Nein, wir ringen hier im Rat wie wohl auch innerhalb der Verwaltung um den richtigen Weg in eine gute Zukunft für unsere Stadt. Dabei sollte man sich natürlich über das oder die Ziele einig sein. Und da stehen sich eben nun zwei sich weitgehend ausschließende gegenüber.

Auf der einen Seite steht der durchaus legitime Wunsch eines erfolgreichen Investors, sein Lago-Parkhaus im hintersten Eck von Konstanz, also im übertragenen und Wortsinn in der Sackgasse, um 250 Plätze zu erweitern. Dies bedeutet selbstverständlich mehr Autoverkehr, mehr Lärm und mehr Gestank vor allem auf der Bodanstraße und für die Bewohner der Altstadt und Stadelhofens. Man fragt sich, wer dies ernsthaft wollen kann. Einen Hinweis bietet ein Zitat von Peter Kolb (Sport Gruner) im Südkurier vom 15. Dezember 2010: „Immerhin sei den Bauherren an der Bodan- und Rosgartenstraße sowie am Bahnhofplatz signalisiert worden, sie könnten sich auf die Erweiterung des Lago-Parkhauses verlassen.“ Oder noch deutlicher in dem uns vorliegenden Schreiben der IHK vom 24. Juni: „Die Stadtverantwortlichen haben den Investoren, die zwischenzeitlich ihre Vorhaben in der Bodanstraße realisierten, immer signalisiert, dass die notwendigen Stellplätze im Rahmen der Lago-Parkhauserweiterung nachgewiesen werden können.“ Gab es da etwa Zusagen am Parlament vorbei?

Dem entgegen steht das im STEP 2020 beschriebene Ziel einer qualitätsvollen und vorausschauende Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik. Konkret hieße das: weniger Autoverkehr in der Innenstadt, bessere Luft, weniger Lärm, besserer ÖPNV, besserer Radverkehr, eine bessere fußläufige Anbindung auch der linken Uferseite des Seerheins und nicht zuletzt ein einladender Empfangsplatz der Stadt für Bahn- und Schiffsreisende mit einer anspruchsvollen Begegnungszone am Bahnhof.

Dazu ein Zitat aus dem FIRU-Gutachten (Verwaltungsvorlage S. 51): „Die Parkstandortwahl ist mitbestimmend für die Verkehrsbelastungen auf den umliegenden Straßen und im Gesamtstraßennetz. Der ruhende Verkehr ist so zu konzipieren, dass es zur Stärkung des Umweltverbundes im Modal Split beiträgt. Bezogen nur auf diese Aspekte wird das geplante Vorhaben dem verkehrsplanerischen Grundziel, der Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV), da mit der Parkhauserweiterung zusätzliche Fahrten insbesondere auf der Bodanstraße induziert werden, nicht gerecht (STEP Kap. 7.3).“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ob mehr Staus, Lärm und Abgase tatsächlich die Attraktivität der Innenstadt steigern, wie im selben Gutachten bei einer Umsetzung des Vorhabens postuliert, darf dagegen doch stark bezweifelt werden.

Wir sehen, beide Ziele sind kaum unter einen Hut zu bringen. Die Verwaltungsvorlagen sind in sich kaum schlüssig, sondern zeigen eher die Widersprüchlichkeit des Vorhabens – also alles andere als ein Gesamtkonzept. Ein solches könnte aber der „Masterplan Mobilität“ bieten, der uns längst vorliegen sollte und auf dessen Basis wir heute sicherlich gesamthafte und sachlich fundierte Entscheidungen fällen könnten. Warum wird der uns eigentlich immer noch vorenthalten?

Doch nun zu den beiden Vorhaben.
Umgestaltung Bahnhofsplatz/verkehrsberuhigter Geschäftsbereich/Provisorium „Begegnungszone“
Selbstverständlich stehen wir weiterhin zu dem bereits im letzten Jahr beschlossenen Stadtentwicklungsprojekt Begegnungszone am Bahnhofplatz.

Doch statt der modernen, qualitätsvollen und durchdachten Boulevardlösung bietet uns die Verwaltung heute ein billiges – ich zitiere – optisch und bautechnisch … gesehen … Stückwerk von Asphaltflächen … das keine längerfristig haltbare Nutzung des Bahnhofsplatzes mit zahlreichen Bussen gewährleisten kann.
Wer glaubt denn ernsthaft, dass wir einem solchen Provisorium zustimmen könnten, selbst wenn es geschenkt ist? Spätestens im Winter nach seiner Umsetzung, wenn auch die Folgekosten sichtbar werden, würden uns das die Bürger (und damit Wähler) rechts und links um die Ohren schlagen! Ein tolles Geschenk! Zudem stellt der Vorschlag gegenüber dem heutigen Zustand eine eindeutige Verschlechterung für Behinderte dar, wie der Behindertenbeauftragte, Herr Schechter, im TUA eindrucksvoll dargelegt hat. Selbst wenn wir heute einen konkreten Stufenplan, wann und wie das Provisorium in eine Begegnungszone umgewandelt werden soll, hätten – haben wir aber nicht – ist der negative Vorgeschmack, den wir hier erhalten, eher kontraproduktiv für das Projekt. Also auch hier kein Gesamtkonzept der Verwaltung!

Es zeigt sich, dass das Projekt Begegnungszone nur als Mittel zum Zweck missbraucht werden soll, nämlich durch Kopplung die Parkhauserweiterung gegen schon angedrohte Klagen gerichtsfest zu machen, nicht um die Stadt an dieser Stelle qualitätsvoll weiter zu entwickeln.
Und selbst dafür, als Mittel zum Zweck, taugt es nicht.

Denn selbst wenn es an normalen Tagen tatsächlich den Durchgangsverkehr zurückdrängen sollte, wie die Gutachten prognostizieren, hilft uns das gar nichts für das eigentliche Problem, die Brücken- und sonstigen Stautage. Schon heute wäre doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wer an solchen Tagen diesen Weg zum bloßen Durchfahren wählt. Zudem verschlimmert es das eigentliche Hauptproblem von heute, nämlich den abfließenden bzw. eben nicht abfließenden Verkehr aus dem dann noch vergrößerten Parkhaus. Denn der wird ja gerade zu Problemzeiten nach rechts in den Bahnhofplatz geleitet, wo er dann in Zukunft gut stehen und Busse und Taxis und alle anderen Verkehrsteilnehmer behindern kann – Tempo 20 braucht man dann zumindest nicht mehr ausschildern, so schnell fährt dann eh keiner mehr. Von einem „Nachweis der Konfliktbewältigung“, wie es der OB in der letzten TUA-Sitzung nannte, kann also keine Rede sein.
Wir können beim besten Willen einem solchen Projekt nicht zustimmen.

Nun zum Vorhaben LAGO-Parkhauserweiterung

Wenn die Innenstadt wie jüngst schon vor der Vollbelegung des Lagoparkhauses verstopft ist, was bringen dann 250 zusätzliche und im Gegensatz zu Verlautbarungen im letzten Jahr immer frei zugängliche Stellplätze? Und sie ersetzen eben nicht den Bedarfsparkplatz, sondern sind immer offen und werden auch angezeigt. Richtig, sie bringen noch mehr Verkehr, noch mehr Staus, noch mehr stecken bleibende Busse, noch mehr frustrierte, weil vergeblich wartende ÖPNV-Kunden, die dann beim nächsten Mal auch das Auto nehmen.

Ironischerweise werden so also gerade auch die, für welche vermeintlich das Parkhaus gebaut werden soll, die Kunden und Touristen, welche mit dem Auto kommen, den Schaden haben, indem sie gewissermaßen in die Falle gelockt werden, in die Staufalle nämlich.
Dazu zwei Zitate aus dem Konzept „Ruhender Verkehr“, für das eigentlich in diesem Jahr ein Monitoring, also gewissermaßen eine Aktualisierung, hätte erfolgen sollen :
Auf Seite 18: „Daher sollten nach Möglichkeit Neubauten oder Erweiterungen von Parkierungsanlagen, bei denen die Anzahl zusätzlicher Stellplätze größer als 50 ist, außerhalb des Altstadtrings platziert werden.“
Auf Seite 22 bzgl. Klein Venedig, in dessen Umfeld auch das LAGO-Parkhaus zu sehen ist: Das Areal ist sowohl über die (Kreuzlinger) Seestraße als auch über die Hafenstraße zu erschließen.“

Ja es stimmt, wir haben ein Problem – an Brücken- und Samstagen mit Staus, Lärm und Gestank. Aber kann der vorliegende Bebauungsplan dafür eine Lösung bieten? Nein, jedenfalls nicht so lange eine Voraussetzung, die wir immer als zwingend genannt haben für eine Zustimmung unsererseits, nicht gegeben ist: eine direkte Zufahrt von Schweizer Seite an dieser Stelle. Und dies erscheint heute utopischer denn je.

Dazu die Empfehlungen von Modus Consult und Prof. Zweibrücken vom März 2009 in den Ergänzungen zum Gutachten Bodanstraße:
„Werden die neuen Parkplatzanlagen beim KKH (mit Zufahrt auch von Schweizer Seite) sowie die Erweiterungen Lago-Süd realisiert, wird empfohlen, … auf dem Bahnhofplatz eine Mischverkehrsfläche mit Tempo 20 einzuführen und diesen Bereich umzugestalten.“ … und weiter: „Die Gewinne, welche sich hingegen durch die Busspur in der Bodanstraße und durch die Umgestaltung von Bahnhofsplatz und Bodanstraße erzielen lassen, werden als beträchtlich eingeschätzt …“

Also: Voraussetzung für eine stadtverträgliche Verkehrsentwicklung wären neben der Begegnungszone immer auch die Zufahrt von der Schweiz und eine Busspur in der Bodanstraße.

Fazit: Am östlichen Altstadtring reichen unter den gegebenen Bedingungen die bisherigen Parkplätze vollkommen aus, mehr wären zuviel.

Zum Thema Parkplatzgebühren und Parkplatzablöse
Fakt ist laut Vorlage, dass uns als Stadt mehr als 40.000 € an Parkgebühren am Bedarfsparkplatz pro Jahr entgehen würden. Was die ca. 1,3 Mio € an einmaliger Parkplatzablösesumme angeht, die mit geschärfter Zweckbindung gut für bewohnerfreundliche Mobilität, also ÖPNV, Park&Ride oder Radverkehr eingesetzt werden könnte und sollte, entsteht inzwischen der Eindruck, dass hier nicht mit offenen Karten gespielt wird. Auf der einen Seite wird sie in der Verwaltungsvorlage (Seite 65) als entgangene Einnahme beziffert und zugleich die Parkhauserweiterung und deren Dringlichkeit mit dem Nachweis der fast 100 Stellplätze begründet. Auf der anderen Seite heißt es nun, dass diese Plätze an anderer Stelle in zumutbarer Entfernung – also fußläufig – „real“ nachgewiesen werden können. Warum ist das dann nicht gleich erfolgt? Braucht man dann dafür die Parkhauserweiterung überhaupt und warum jetzt sofort und warum dort? Auch hier wenig Schlüssigkeit in der Argumentation.

Was wir also brauchen und was von der SPD schon lange und immer wieder gefordert wird, um die Probleme zu lösen, ist

  • die offene Diskussion und Umsetzung des Masterplan Mobilität
  • eine Begegnungszone, die diesen Namen verdient
  • eine Verbesserung des ÖPNV (auch durch mehr Busspuren)
  • ein gut ausgebautes Park& Ride System gemäß der Vorschläge im Konzept „Ruhender Verkehr“, auch z.B. unter Einbeziehung der Siemens-Parkplätze am Bahnhaltepunkt Fürstenberg
  • und schließlich eine Entwicklung des Döbele-Areals mit Tiefgarage, wie es auch von den Einzelhandelsverbänden gefordert wird (SK vom 15. 12. 2010)

Wir sehen, es gibt vernünftige Lösungen für unsere Verkehrsprobleme; die beiden Vorlagen sind es nicht, sie verschärfen sie nur!

Bitte stimmen Sie also mit uns gegen die Beschlussvorlagen und für eine moderne Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik.
Vielen Dank!