Ulrich Burchhardt hat sein Amt als Oberbürgermeister der Stadt Konstanz angetreten. Als dienstältestes Mitglied des Gemeinderats nahm Jürgen Leipold die Verpflichtung Burchhardts vor und überreichte ihm die Amtskette. Für die SPD-Fraktion sicherte Dr. Jürgen Ruff eine konstruktiv-krtische Zusammeanarbeit zu.

Jürgen Ruffs Grußwort hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister
Sehr geehrte Damen und Herren,

Der Konstanzer Gemeinderat gilt gemeinhin als schwierig und wir Sozialdemokraten, so heißt es zuweilen, seien dabei die „schlimmsten“. Dies ist natürlich nur ein Gerücht. Wahr ist, dass wir einfach versuchen, möglichst professionell zu sein und im Gemeinderat heißt das eben auch, als Vertretung der Bürger unserer Kontrollpflicht gegenüber der Gemeindeverwaltung, deren neuer Chef ja nun Sie sind, Herr Burchardt, nachzukommen. Das mögen manche als schlimm oder schwierig empfinden, doch tatsächlich sind wir – Gemeinderat und Oberbürgermeister – hier Partner im Ringen um die besten politischen Wege für die Entwicklung unserer Stadt.

Unser Anspruch an Professionalität galt natürlich auch bzgl. der Kandidaturen zur OB-Wahl. Neben einer unseren Zielen entsprechenden politischen Grundeinstellung und Persönlichkeit war uns deshalb vor allem auch Kompetenz und Erfahrung in Verwaltung und Politik wichtig. So waren wir froh, dass schließlich – aber eben etwas spät – Sven Zylla, der all diese Eigenschaften in sich vereinte, bereit war, hier in Konstanz zu kandidieren. Die Mehrheit der Wähler sah dies dann aber anders.

Dass wir Sie, Herr Burchardt, auch nach dem Ausscheiden von Sven Zylla im ersten Wahlgang nicht gerade als unseren Favoriten sahen, ist nun auch kein großes Geheimnis.
Doch wir haben durchaus registriert, dass Sie in der letzten Podiumsdiskussion vor dem ersten Wahlgang Sven Zylla als OB für Konstanz empfohlen hätten, wenn Sie nicht selbst Kandidat gewesen wären. Und damit wären wir nun bei den Gemeinsamkeiten und den Wünschen, die uns möglicherweise verbinden.

Bei Ihrem ersten Besuch – und das Wort „erster“ ist mir hier wichtig – in unserer Fraktion am vergangenen Mittwoch, haben wir Sie als einen offenen Menschen erlebt, der zuhört und neues auch schnell aufnimmt. Wir hatten dabei den Eindruck, dass Sie gute Ideen auch dann akzeptieren und sich ggf. zu eigen machen können, wenn sie nicht von Ihnen selbst stammen. Das war in den letzten Jahren durchaus nicht immer selbstverständlich.
Dieser erste Eindruck nach der Wahl ist sicher eine gute Basis für eine gedeihliche und konstruktive Zusammenarbeit in den nächsten 8 Jahren. Für mich war es auch ein Anlass, mal ein wenig in Ihrem Buch zu blättern. Man muss nicht alles toll finden, was da zu lesen ist, aber so einiges halte ich durchaus für positiv und vor allem für übertragenswert auf unserer Stadt. Insbesondere Ihr Credo, zur Erreichung eines Zieles schon auch mal unkonventionelle Methoden außerhalb des Mainstreams einzusetzen, wenn die gängigen Wege versperrt sind. Ihr Beispiel von der Kartoffelsorte „Bamberger Hörnchen“, die Ihr früherer Arbeitgeber „nur für die Vitrine“ und explizit nicht für den Verzehr oder gar für die Aussaat verkauft hat, weil das Sortenrecht dieses eigentliche Ziel nicht zuließ, könnte übertragen auch in der Kommunalpolitik öfter mal angewandt werden. Es kommt doch immer mal wieder vor, dass wir im Gemeinderat auch bei einem breiten politischen Willen für ein bestimmtes Ziel erst mal 1000 Gründe genannt bekommen, warum das nicht gehen soll, anstatt dass überlegt wird, welche ggf. dann eben auch unkonventionelle Wege man einschlagen kann, um trotzdem zum Ziel zu gelangen. Manchmal wäre in der Zeit des “Geht-Nicht-Gründe-Suchens” die Umsetzung längst geschehen. Hier können wir Sie wohl schon jetzt als Verbündeten für eine schnellere Umsetzung politisch gewollter Maßnahmen sehen.

Apropos Umsetzung: ein wenig mehr an unternehmerischer Tatkraft, wie Sie sie in Ihrem Buch propagieren, kann auch der Stadt Konstanz nicht schaden. Zwar können wir durchaus stolz sein auf das, was wir in den vergangenen Jahren in dieser Stadt erreicht haben, doch einiges ist in Konstanz immer noch in der Ankündigung, in der Absichtserklärung stecken geblieben. Es gibt schöne Etiketten und große Worte für hehre Ziele, aber bei den konkreten Umsetzungsschritten kommen wir oft nicht voran oder die Ziele sind so hoch gesteckt, dass sie bei konkreten Entscheidungsfindungen im Gemeinderat gar keine große Rolle spielen. Diese Lücke sollte geschlossen werden; die konkrete Tat sollte mehr zählen als das schöne Wort.
So sind wir nun beim Thema Vokabular. Und da habe ich auch eine Bitte an Sie als den sprichwörtlichen „Mann aus der Wirtschaft“: seit einigen Jahren geschieht es immer öfter, dass selbst in Verwaltungsvorlagen die Stadt Konstanz als „Konzern Stadt“ bezeichnet wird. Ja, die Konstanzer Stadtwerke sind ein Konzern und die Stadt Konstanz ist dessen einzige Gesellschafterin. Aber das macht die Stadt selbst nicht zum Konzern, sie ist und bleibt ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen mit entsprechenden am Gemeinwohl orientierten demokratischen Strukturen und Wegen der Entscheidungsfindung. Analogieschlüsse zu Wirtschaftskonzernen, die ein falsches Grundverständnis von einer Stadt suggerieren, verbieten sich eigentlich von selbst. Deshalb meine Bitte, streichen Sie den Begriff Konzern in Bezug auf die Stadt als Kommune aus dem aktiven Verwaltungswortschatz. Auch in Ihrem Buch hat dieser Begriff ja zu Recht meist eher einen negativen Beigeschmack.

Lassen Sie mich zum Schluss wieder an den Anfang zurück kommen: Sie bringen für unsere Stadt viele wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen mit in Ihr neues Amt. Diese stammen jedoch aus Bereichen jenseits der Kommunalverwaltung oder -politik. Sie werden also bei all den Themen, die hier schon genannt wurden, wohl eine steile und trotzdem lange Lernkurve vor sich haben. Das geflügelte Wort von der „100-Tage-Schonfrist“ ist deshalb hier ganz sicher fehl am Platz – es werden wohl eher 5-10 Mal so viele sein. Doch selbstverständlich liegt es auch im Interesse von uns Gemeinderäten, dass diese Lernkurve so steil und so kurz wie möglich wird. Sie werden also auf unsere Unterstützung zählen können.

Kontroversen kommen früh genug, aber eines ist sicher: der Gemeinderat ist gar nicht so schwierig und wir Sozialdemokraten keineswegs so schlimm wie hie und da kolportiert wird. Unser gemeinsames Ziel ist schließlich, unsere Stadt zum Wohle ihrer Bürger voran zu bringen.
Wir wünschen Ihnen, Herr Burchardt, dazu für die nächsten acht Jahre eine glückliche Hand, viel Erfolg und nun einen guten Start.

Auf eine gute Zusammenarbeit!