Aus einem Antrag der SPD-Fraktion und aus einer Beschlussvorlage der Verwaltung hat der Gemeinderat konkrete Beschlüsse zum Klimaschutz gefasst. Keine Mehrheit fand dagegen eine von Aktivisten verfasste Resolution, die von drei Fraktionen unverändert eingebracht wurde. In der allgemeinen öffentlichen Empörung über ein vermeintliches Abrücken der Stadt von Klimaschutzzielen ging jedoch unter, was tatsächlich beschlossen wurde. Wir dokumentieren Diskussion und Beschlüsse des Gemeinderats.

Die Vorgeschichte

Mit der einstimmigen Ausrufung des Klimanotstands im Mai 2019 hatte der Gemeinderat ein klares Zeichen gesetzt, dem Klimaschutz von nun an bei allen Entscheidungen höchste Priorität zukommen zu lassen, um wirksam dazu beizutragen die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Für die SPD-Fraktion, die seit 2007 eine aktive städtische Klimaschutzpolitik einfordert, war das ein großer Meilenstein.

Diesem symbolischen Akt folgte jedoch nicht allzu viel Konkretes und auch die im ersten Klimaschutzbericht aufgeführten 70 Maßnahmen wirkten eher wie ein Sammelsurium diffuser Vorschläge, von welchen noch nicht einmal klar war, ob und welchen Beitrag sie zur Senkung von CO2-Emissionen leisten können. Wir haben deshalb gefordert, dass für alle Maßnahmen und Pläne die Kriterien Messbarkeit, Machbarkeit und Wirksamkeit erfüllt sein müssen, um konkret und effizient handeln zu können statt im Blindflug vor lauter Aktivismus nicht zu wissen, ob und wieviel man schon erreicht hat.

Und Fridays for Future?

Mit Fridays for Future, welchen wir schon am Anfang unsere politischen und fachlichen Informationen zur Verfügung gestellt hatten, haben wir zu Beginn dieses Jahres besprochen, dass zudem ein Maßnahmenfahrplan aufgestellt werden müsse, um einen konkreten Weg zur Klimaneutralität zu haben. Daran wollten wir gemeinsam arbeiten.

Dazu kam es leider nicht. Fridays for Future legte statt dessen ihre Resolution „Konstanz klimapositiv 2030“ vor. Diese enthielt zwar ein Zieljahr, wann Konstanz klimapositiv „ist“, jedoch keinen konkreten Weg, wie man dahin kommen wolle, die also in unseren Augen einen zwar visionären aber doch wieder nur symbolischen Akt darstellte.

Zudem erfüllten 5 der 9 vorgeschlagenen Beschlusspunkte die drei Kriterien Messbarkeit, Machbarkeit und Wirksamkeit nicht. Zum einen, weil im Gegensatz zu anderen Städten mit ähnlichen Zielsetzungen neben den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr noch der Bereich Bauen aufgenommen wurde, um auch die sogenannte „graue Energie“ bei der Klimapositivität zu berücksichtigen. Dieser ist jedoch noch nicht quantitativ bewertbar, wodurch insgesamt die Messbarkeit und damit die Erfolgskontrolle nicht mehr gegeben ist (Blindflug). Zum anderen, weil gefordert wird, die gesamte Menge an verbrauchtem Strom und Gas in Form von regenerativ erzeugter Energie wieder ins Netz einzuspeisen und zugleich alle dafür notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Beides ist schlicht nicht machbar, entweder, weil es grundsätzlich an Fläche und Energieerzeugungsanlagen fehlt, oder weil man heute unter Beachtung der demokratischen Grundregeln nicht für 10 Jahre derartig auf die kommenden Haushaltsberatungen vorgreifen darf, in der Art eines Blankoschecks schon gar nicht.

Diese Mängel wurden von uns sogleich benannt, weil wir die jungen Menschen von Fridays for Future ernst nehmen und sie es verdient haben, sachliche Kritik von politisch erfahrener Seite zu bekommen. Es war jedoch keine Bereitschaft erkennbar, die „Resolution“ entsprechend umzuschreiben. Das ist verständlich, denn sie hätte gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt werden müssen. Statt dessen wurde sie unverändert von den Fraktionen FGL, JFK und LLK als Antrag eingebracht. Wer in dem Wissen, dass ein Beschluss unter den gegebenen Bedingungen faktisch nicht umgesetzt werden kann, handelt jedoch unredlich und täuscht die Menschen dieser Stadt. So stellte uns die neue Situation vor die Frage:

Was tun?

Wir entschlossen uns, einen eigenen Antrag zu stellen, der ein klimapositives Konstanz 2030 als anzustrebendes Ziel aufnimmt und vor allem einen Fahrplan für konkretes umsetzbares Handeln aufzeigt; im Gemeinderat haben wir ihn deshalb unter dem Titel „Von der Vision zum Handeln“ vorgestellt:
1. Bestandsanalyse mit Energie- und CO2-Bilanz, um den Startpunkt zu definieren.
2. Erarbeitung von zwei C02-Absenkpfaden (bestmöglich und ideal) für ein klimapositives Konstanz.
3. Entwicklung einer handlungsorientierten Klimaschutzstrategie.
4. Beschleunigung laufender Maßnahmen, um keinen Stillstand zu haben.
5. Kontinuierliche Anpassung der Absenkpfade und der Klimaschutzstrategie an veränderte Bedingungen mit dem Ziel, den realen Absenkpfad immer weiter an den idealen anzupassen.

Der Antrag war so angelegt, dass er bei objektiver Betrachtung Zustimmung aus allen Fraktionen, also auch derer, die die FFF-Resolution als Antrag eingebracht haben, bekommen konnte. Denn wir sind überzeugt, dass es bei einer derart grundlegenden Frage wie dem Klimaschutz einen größtmöglichen gesellschaftlichen und politischen Konsens braucht, um wirklich voran zu kommen und nicht in Patt-Situationen stecken zu bleiben.

Was noch?

Schließlich hat auch die Verwaltung einen eigenen Beschlussantrag vorgelegt, der sich in zentralen Teilen mit unserem deckte:
1. Klimaneutralität schnellstmöglich erreichen.
2. Erarbeitung einer Klimaschutzstrategie mit den Ideal-Szenarien klimaneutral 2030 und 2035 und einem Best-möglich-Szenario.
3. Entscheidung über das Idealszenario-Zieljahr auf Basis einer vom ifeu-Institut ausgearbeiteten Strategie unter Berücksichtigung der Aspekte Messbarkeit, Machbarkeit und Wirksamkeit sowie klimawissenschaftlicher Erfordernisse.
Im Vergleich zu unserem Antrag kommt hier noch das Zieljahr 2035 und die Expertise des ifeu-Instituts hinzu, was grundsätzlich zu begrüßen ist.

Was kam raus?

Zwar enthält unser Antrag im Prinzip die Punkte des Verwaltungsvorschlags, wobei das ifeu-Institut noch hätte aufgenommen werden können, doch um auch der zaudernden CDU eine Zustimmung zu ermöglichen, haben wir uns bereit erklärt, den Verwaltungsvorschlag zu übernehmen, wenn dieser noch unsere Punkte 1, 4 und 5 aufnimmt. Damit ist vor allem gesichert, dass kein Stillstand eintritt und eine ständige Beschleunigung der Maßnahmen erfolgt. Dies wurde von der Verwaltung zugesagt.

Zur Abstimmung kamen demnach nur noch der aus unserer Sicht rein symbolische aber von den Antragstellern nicht so verstandene Vorschlag von FGL, JFK und LLK (von FFF übernommen) und der kombinierte SPD-Stadtverwaltungs-Antrag.

Während der FFF-Antrag mit 21:20 Stimmen abgelehnt wurde, ist unser kombinierter Antrag einstimmig mit 32 JA-Stimmen und 9 Enthaltungen klar angenommen worden.

Was bedeutet das?

Wir haben nicht nur den nötigen breiten Konsens herbeiführen können, sondern so auch dafür gesorgt, dass die mit der Ausrufung des Klimanotstands einhergehende Verpflichtung nun ihre konkrete und konsequente Fortführung findet. Das ist ein großer Erfolg für den Klimaschutz in Konstanz und nicht zuletzt auch für Fridays for Future, die zwar enttäuscht waren, ohne deren Engagement aber dieser große gemeinsame Schritt nicht gemacht worden wäre.

Wir haben sehr viel erreicht in der letzten Gemeinderatssitzung, manche haben es nur noch nicht gemerkt.

Nachbemerkung: Es ist sehr schade, dass von Seiten Fridays for Future und der ihre Resolution unterstützenden Gruppierungen auch durch Diffamierungen und Falschbehauptungen (der GR habe gegen die Absicht, 2030 Klimapositivität zu erreichen, gestimmt; die Stadt sei nun hinter ihre Beschlüsse zum Klimanotstand zurück gefallen und ähnliches) der Eindruck vermittelt wird, Konstanz hätte den Klimaschutz aufgegeben. Das wirkt dem gemeinsamen Ziel, diesen voranzutreiben entgegen, schadet unserem mühsam aufgebauten Image und torpediert letztlich sogar das eigene Engagement, weil es die schon im Klimaschutz aktiven Menschen demotiviert. Wir hoffen, dass die genannten Gruppen bald wieder zu einer sachorientierten Arbeit zurück finden und gemeinsam mit uns für das Wohl der Konstanzer Bürgerinne