bahnhof_konstanz_rückseiteDer Konstanzer Bahnhof bekommt zwei Aufzüge. Damit  soll der Zugang zum Mittelbahnsteig endlich barrierefrei werden. Beinahe acht Jahre nach der Vereinbarung des Landes Baden-Württemberg mit der Deutschen Bahn zur Modernisierung der Bahnhöfe im Land kann in Konstanz gebaut werden. Doch eine Modernisierung sei das nicht, kritisierte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Gemeinderat, Dr. Jürgen Ruff. Wir dokumentieren seine Rede im Technischen und Umweltausschuss des Gemeinderats.

Zu ungeteilter Freude über den Beschlussvorschlag zur Bahnhofsmodernisierung besteht leider kein Anlass, im Gegenteil! Wir haben die gleiche Situation wie zuvor bei den Seehas-Haltepunkten Wollmatingen und Petershausen. Es wird nur eine Minimalst-Lösung umgesetzt. Diese aber  mit weit höheren Kosten als zuvor geschätzt . Beim Bahnhof wird jetzt das Ausmaß unseres Dilemmas in kumulierter Form sichtbar.

Mit der Faust in der  Tasche

Die Sitzungsvorlage der Verwaltung formuliert es richtig: wir sind gezwungen, zuzustimmen. Das ist die eigentliche Schade. Andernfalls wird es gar keine Barrierefreiheit für den Konstanzer Bahnhof geben, auf die wir schon seit vielen, vielen Jahren warten. Wir werden also gezwungenermaßen zustimmen. Aber mit geballter Faust in der Tasche .

Außer Spesen nichts gewesen!

Denn wenn wir uns den Verlauf der Debatte seit dem Auflegen des Bahnhofsmodernisierungsprogramms im Jahr 2009 ansehen, müssen wir hinsichtlich besserer Nutzerfreundlichkeit, Stadtentwicklungsaspekten und einer erwünschten zukünftig erhöhten Leistungsfähigkeit des Bahnhofs den Schluss ziehen: außer Spesen nichts gewesen! Und die Spesen sind hoch!

Teure Konstruktionsfehler im Bahnhofsmodernisierungsprogramms

Womit wir beim Thema Kosten wären. Ist die anderthalbfache Steigerung der Gesamtkosten seit 2015 schon schlimm genug, so dürfen wir dabei nicht vergessen, dass schon einmal die Kostenschätzung von 2011 um weitere 317.000 € erhöht worden war. Also liegen wir heute insgesamt über 1,8 Mio € höher als 2011 geschätzt, wahrlich kein Pappenstiel! Zwar werden Gründe dafür genannt, doch sollten viele davon schon vor der ersten Schätzung bekannt gewesen sein. Die eigentliche Krux der Geschichte liegt aber woanders, nämlich in der Konstruktion des von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung aufgestellten Bahnhofsmodernisierungsprogramms, wonach die Bahn plant und die Kommunen 100 % der Planung zahlen, ohne jedoch an dieser beteiligt zu sein. Das alte Prinzip, wer zahlt schafft an, wurde hier also einfach außer Kraft gesetzt. Wir als Stadt wurden zum bloßen Zahlmeister degradiert ohne wirklichen Einfluss zu haben und die planende und umsetzende Bahn zahlt unter Berücksichtigung weiterer Zuschüsse von Land und Bund sogar den geringsten Anteil. Auf so etwas dürfen wir uns nie wieder einlassen!

Zwei Aufzüge statt breitere Unterführung

Die Umsetzung des Programms ist vor allem ist vor allem:  Kosmetik und wenig bis gar keine Sanierung. Ein Skandal, denn von Bahnhofsmodernisierung kann kaum die Rede sein, das Programm verdient diesen Namen schlicht nicht. Was die Unterführung angeht, so werden hier nun nur zwei Aufzüge „angeflanscht“. Die nur drei  Meter breite Unterführung wird weder auf sechs noch auf acht Meter erweitert, sie bleibt, etwas aufgehübscht, wie sie ist. Jeder Bahnfahrer weiß, wie berechtigt unsere Forderung nach der breiteren Unterführung ist.

Folgenschwere Fehleinschätzungen der Konstanzer Verwaltung

Wie anders wurde das doch noch 2014 in der damaligen Vorlage der Verwaltung gesehen. Ich zitiere nur einen Satz: „Nach Einschätzung der Stadt sowie auch von externen, mit der Bahn vertrauten Planern, entspricht der Anbau der beiden Aufzüge an die bestehende Unterführung nicht den aktuellen internen Regelwerken und Sicherheitsbestimmungen der Deutschen Bahn“. Wie konnte es zu dieser krassen Fehleinschätzung kommen? Welche Argumente führt das Eisenbahnbundesamt in seiner Genehmigung der Pläne in der vorliegenden Form gegen die Sicherheitsbedenken an? Fragen, die wir auch gern von der Verwaltung beantwortet haben möchten.

Keine Verbesserungen für Schienenverkehr

Die SPD-Fraktion sieht hier weiterhin große Probleme, vor allem wo wir doch wollen, dass der Öffentliche Verkehr durch die Ausweitung der Nutzung der Bahn wie v.a. von Schweizer Seite auch geplant weiter gestärkt wird. So wird das nicht gelingen und deshalb ist die sogenannte Modernisierung eben gerade eines nicht: zukunftsfähig!

Visionäre Konzepte verhindert

In einen größeren zeitlichen Zusammenhang gestellt sieht das ganze sogar noch schlimmer aus. 2006 war unter Bürgermeister Volker Fouquet (SPD) noch eine große Unterführungslösung vorgesehen. Diese basierte auf den Planungen der Gewinner des entsprechenden städtebaulichen Wettbewerbs von 2001, dem Büro Molenaar-Weber. Dort war neben einer modernen großzügigen Bebauung auf beiden Seiten des Bahnhofsgebäudes auch eine breite Unterführung von der Bahnhofsstraße (!!) bis zum Hafen geplant, um die Barriere-Wirkung der Bahn verschwinden zu lassen. Es wäre sogar möglich gewesen, die Marktstätten-Unterführung  zugunsten eines durchgehenden Platzes wieder aufzufüllen. Ein sicher äußerst ambitioniertes Projekt; es hätte gut zur größten Stadt am See gepasst.

Bau-Bürgermeister setzten Planänderungen durch

2009 schon wurde dies jedoch unter Bürgermeister Kurt Werner zugunsten einer großen Überführungslösung wieder aufgegeben. 2011 konnte dann auf Initiative der SPD nach dem Vorbild der Vorarlberger Städte Feldkirch und Dornbirn eine etwas weniger großzügig ausgelegte Unterführungslösung wieder eine politische Mehrheit finden. 2014 wurde diese dann, nun unter der Leitung von Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, aus Kostengründen wieder versenkt. Schweren Herzens hatten wir dem  noch zugestimmt, da wir der Einschützung der Verwaltung Glauben schenkten. Wir hofften, dass Konstanz wenigstens eine großzügige und im Vergleich zur Unterführung für die Stadt finanziell leichter tragbare Überführungsplattform inklusive der von der Bahn bezahlten beiden Aufzüge bekommen würde

Vom Tiger zum Topflappen

Daraus wurde also. Zwei angeflanschte Aufzüge in der bestehenden Unterführung. Wenn wir 2006 als Tiger gestartet wären, so sind wir heute nicht mal als Bettvorleger, sondern allenfalls als Topflappen gelandet!

Konstanz braucht zukunftsfähigen Bahnhof

Die SPD wird sich jedoch dadurch nicht entmutigen lassen, sondern weiterhin für ein zukunftsfähiges und in die Stadtentwicklung eingebundenes Bahnhofsentwicklungskonzept kämpfen. Die beiden Aufzüge dürfen dazu dann gern der Anfang sein, keinesfalls aber das Ende. Wir werden dies einfordern. Versprochen!